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Vorstoß in primitivere Zeiten: Der Ursprung der Grünen
Fischers Offenbarung


 

Vorwort

Tatsächlich sind wir welche, die es gerne besser haben möchten in der Welt, die da sind, um aufzuräumen auf Erden, die die Steine vom Acker lesen und die harten Erdenklöße mit dem Karst zerschlagen und Furchen graben mit dem Pflug und das Unkraut an der Wurzel fassen, an der Wurzel es durchschneiden, samt der Wurzel es ausreißen, daß es verdorre im
Sonnenbrande.

Hölderlin, Hyperion

Am Anfang war kein Anfang
oder: near the beginning

Und eines Morgens wird die Sonne sich über dem Horizont erheben. Tropfen von köstlichem Tau überall, Freudentränen neuer Harmonie – eine renaturierte Natur) – werden ihr grüßend entgegendunsten. Und Menschen werden sich begegnen wie Tiere – im Paradies vor dem Sündenfall: sie säen nicht mehr, sie ernten nicht mehr, sie denken nicht mehr.

Aber ernährt von einer reichen und dankbaren Natur, ihrem ewigen himmlischen Vater, fühlen sie genug.

Wer von uns wüßte nicht um das Glück des einfachen Protoplasmas, das befreit aus seinem überholten Zusammenhang von Organisation und Massenwahnsinn, [dieses Glück, das] jetzt die Erde heller erleuchtet als weiter oben beschriebener Himmelskörper je fähig wäre.

Die glückliche Anarchie ist ausgebrochen.

So oder beliebig ähnlich ließe sich unschwer zusammenfassen, was unter dem Titel: ›Vorstoß in primitivere Zeiten‹ usw. als ein zeitlos primitiver Vorstoß eines Bauernfängers aus Frankfurt [Josef Fischer] in die 77er BRD-Polit-Scene auf 22 Spalten in der Autonomie Nr. 5, 2/77 abgedruckt war. Unter einem vermeintlich originellen Titel eines sichtlich bemühten, aber so ziemlich aller Originalität baren Autors findet sich:

1. Eine ungeordnete Anhäufung von scenegängigen Themen und widersinnigen Reizwörtern:
›Die eigene Bewegung total kaputt, Klassenkämpfe gar nicht oder nur sehr zart abzusehen oder ansonsten ein gnadenloser Klassenkampf von oben ... ‹.

2. Neuauflagen von Plattheiten, die ›schon lange gegessen‹ sind:
›Die alte, die proletarische Revolution konnte ihre Inhalte noch schön dreiteilen: in die Politik mit dem großen P, in den Alltag der Massen und in die feierlichen Utopien von Kommunismus und der klassenlosen Gesellschaft. Unsere Revolution ... ‹.

3. Sinnentstellte Zitate:
›Wie sagte doch weiland Karl Marx, der große Denker: ‚Wir’ – das bezieht sich auf den Verfasser [Josef ›Joschi-Joschka‹ Fischer] und seinesgleichen – ‚haben nichts zu verlieren als unseren Frust und eine Welt zu gewinnen’ - nur zu wahr!‹,
[im Original dagegen : ‚Sie (die Arbeiter) haben ... ’, zudem K. Marx nicht der alleinige Verfasser].

4. Leihgaben von steinzeitlichen Totemkult:
›Sie haben die Natur und die einzelnen Gegenstände und Lebewesen darin nicht als Objekte begriffen, deren man sich einfach bedienen konnte, sondern sahen in ihnen vielmehr gleichwertige Subjekte und sind mit ihnen entsprechend umgegangen. Mir ist das … als Aberglaube erschienen. Aber (jetzt) erst … wird mir klar, ... um wieviel entwickelter die scheinbar so primitiven Gesellschaften waren.‹

5. Schillersche Pädagogik [kein Aufbegehren gegen die rechtmäßige Obrigkeit, denn dies ist bekanntlich ‚doch der schrecklichste von allen Schrecken’]:
›Ein neues Verhältnis zur Gewalt werden wir aber nur dann … finden, wenn wir endlich nicht nur den äußeren Bullen [Staatsgewalt] attackieren …, sondern noch viel mehr den INNEREN Bullen in uns! Da, glaube ich, sollten wir uns mal auf einige psychische Straßenschlachten einlassen, weil. … ‹.

6. Frauenbewegung :
›Die Frauen haben eine ziemlich radikale Konsequenz aus ihrer Kritik an uns gezogen … : sie lösen sich von uns, trennen sich, wollen mit uns nichts mehr zu tun haben … Und wenn sie dir dann so alles an den Kopf knallen und dir alles so schön klar ist mit deiner Unterdrückerrolle … ‹.

7. Frank Zappa:
›Plastic People‹

8. Zauberwörter:
›Maschinenstürmerei ist ein Zauberwort … ‹.

9. Geheimformeln:
›Ja, das mein ich ganz im Ernst und ohne jede Einschränkung. Selbst wenn du den Bullen besiegst, du hast ihn dann aufgefressen, hast ihn in dir und wirst dann selbst zum Bullen!‹ [›man ist, was man ißt‹]

10. Keine Kenntnis geschichtlicher Entwicklungen und Tatsachen:
›Gerade das Festhalten dieser primitiven·Gesellschaften an einem direkten und unvermittelten Zusammenhang von Bedürfnissen und ihrer Befriedigung, ihre Weigerung, mehr zu arbeiten, als ihren Bedürfnissen entsprach, und ihr bewußter Verzicht auf über Gewalt verfügende Institutionen, die den einzelnen Individuen entgegengesetzt waren und über ihnen standen, nämlich den Staat, das zeigt … ‹.

11. Sexismus, wo ‚die Stimme des Blutes’ fraulich mahnt:
›Als Mann kann Mann eben nicht so tun, als wenn nichts wäre, als wenn man sich nur zu lösen und radikal auf sich selbst zu besinnen brauchte, wie es die Frauen getan haben. Wir leben in einer Männergesellschaft, in einer patriarchalischen Diktatur, und sind selbst davon infiziert und korrumpiert.‹

12. usw. usf.

Eigentlich wollten wir uns mit diesem umfangreichen Unsinn, der in jeder Weise gegen sich selber spricht, nicht weiter beschäftigen.

Zwei Gründe standen dagegen.
Zum einen fehlt dem vorgelegten Text jegliche klare Gliederung – unser Frankfurter Fischer fischt bekanntlich bevorzugt im trüben – was weniger mit diesen ›politischen Vorstellungen‹ vertrauten Lesern das Verständnis der eigentlichen Absichten Fischers erschwert.

Der Verfasser hat seinen Gefühlen beim Schreiben keinen [intellektuellen] Zwang angetan, womit er meint ein Grundgesetz primitiver Gesellschaften praktiziert zu haben:
›das Festhalten an einem unmittelbaren und direkten Zusammenhang von Bedürfnissen und ihrer Befriedigung‹. Irritierend dabei ist jedoch die Vermittlung durch Schreiben, Drucken etc. und Verkaufen etc.

Was sich bis hier andeutet, Fischers Unklarheit über die Bedeutung des gesellschaftlichen Ortes für die Wahrnehmung des urteilenden Beobachters, ist seine ›klare‹ Linie, die a la roter Faden seine Auslassungen durchzieht. Die Erörterung dieses Punktes jedoch ist für das Verständnis von Klassenbewußtsein, der einzig möglichen Form des Geschichtsbewußtseins innerhalb einer Klassengesellschaft, so bestimmend, daß dies einer ausführlicheren Behandlung an anderer Stelle bedarf.

Zum anderen fand die Abhandlung verhältnismäßig viel Beifall unter hiesigen Epigonen. Dem entgegenzutreten, wie lästig und langweilig immer, zählt zum ›Klassenkampf‹. Dieser Vorstoß des Altmilitanten vom RKF gibt dabei Gelegenheit, seine kleinbürgerliche Richtungslosigkeit nicht nur als individuelles Versagen oder eine zufällige Serie vielfältiger Irrtümer aufzuzeigen, sondern sie als ›normale‹ Ideologie einer besonderen, durch ihre besondere Stellung im gesellschaftlichen (Produktions-)Prozeß bestimmten sozialen Schicht zu erklären.

Den Zenit seiner Auslassungen erreicht der ›abendländische Marxist‹ Fischer aufgrund eines halben (Marxschen) Gedankens: ›Die besitzende Klasse und das Proletariat stellen dieselbe menschliche Selbstentfremdung dar‹.

Als Kleinbürger selbst keiner der beiden erwähnten Klassen zugehörig, erspäht er darin die gesuchte ›eigene‹ Lösung, und flugs erhob er diese ›Einheit über den Klassen‹, eine Art allgemeines Zivilisationselend, zur Grundlage seiner Methode der ›Unmittelbarkeit und Einheit‹. Das ist sein Joker. Er fordert nun einfach die ›unvermittelte und ungeteilte Welt‹, das ›Unwahre‹, und entledigte sich so vermeintlich geschickt mit der wirklichen Welt aller wirklichen Probleme. Seine Arbeit bekam dadurch ›eine ganz neue, viel tiefergehende Bedeutung‹. Wie sagte doch weiland Georg Wilhelm Friedrich Hegel, ›der große Denker‹: ›Das Unwahre aber ist unbegreiflich.‹

Dennoch, anscheinend überrascht von dieser schnellen und primitiven Lösung des Problems muß sich Fischer wohl verschluckt haben; denn, so das Marxsche Zitat weiter: ›Aber die erste [die besitzende] Klasse fühlt sich in dieser Entfremdung wohl und bestätigt, weiß die Entfremdung als ihre eigene Macht und besitzt in ihr den Schein einer menschlichen Existenz; die zweite fühlt sich in der Entfremdung vernichtet, erblickt in ihr ihre Ohnmacht und die Wirklichkeit einer unmenschlichen Existenz.‹

Es scheint also, daß manches, was ›schon lange gegessen‹ ist, noch immer auf die Verdauung wartet.

Nachtrag 1
Die Kritik des Fischerschen Beitrags ›zur Besinnung der wahren Inhalte der neuen Revolution‹, ist auf Vorwort und Nachtrage beschränkt. Nur so kann sie ihrem Gegenstand angemessen folgen, der seine formlose Dürftigkeit vor allem mit Gemeinplätzen polstert und sich an jeder Stelle begriffslos bis zum Vakuum verdichtet. Indem die Kritik so ihren Gegenstand nachbildet, hilft sie der Erkenntnis. Also müßten die Kritik weitgehend aus leeren Seiten bestehen. Allerdings würde selbst diese freie Fläche, das unbeschriebene Papier, dem Fischerschen Beitrag intellektuell nicht gerecht.
Wie ein Haus von einem Kind gemalt kein Haus ist, sondern bloß ein Bild und außerhalb kindlicher Phantasie nicht bewohnbar, so wenig ist ›das ewige Schwein‹, von Fischer modisch aufgemozzt und durch autonome Gassen gejagt, ›revolutionär‹. Es ist bloß ein altes Schwein
. Fischer aber ist kein Kind. Fischer ist ›kindisch‹. Mit Absicht. Hinterhältig.

Nachtrag 2
Es ist ein alter, einfacher, alltäglich angewandter Kunstgriff der Rhetorik, wenn man sonst nichts weiß, einen ›natürlichen‹ Zusammenhang einzuführen. In einem Kreis von Individuen mit einander ähnlichen Vorstellungen unterstützt eine Art von Gruppenvorurteil besagten Trick mehr oder minder geschickt wirkender Demagogen. Durch den Verzicht auf die Erkenntnis ihres wirklichen, gesellschaftlichen – und somit geschaffenen – Zusammenhanges, und nichts sonst ist dieser Verzicht, durch die Entdeckung der richtigen Gedanken, die man sich nur zu machen braucht, erlauben die dergestalt befreiten Einzelheiten jedermann ein scheinbar unbeschränktes Spiel. Tatsächlich aber, und das beweisen Fischers Federstriche und Gedankenstreiche, ›ist und bleibt jedes Gedankenabbild des Weltsystems durch die geschichtliche Lage objektiv und durch die Körper- und Geistesverfassung seines Urhebers subjektiv beschränkt‹. •••